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Frankfurter Rundschau 2003

29. Juli 2003 - dieser Bericht ist heute in der Frankfurter-Rundschau erschienen.....
geschrieben von Friederike Tinnappel

Rückwärts auf acht Rollen ins Buch der Rekorde

Rafael Mittenzwei skatet anders als die anderen - Ende September beim Berlin-Marathon

Zweieinhalb Stunden brauchte Rafael Mittenzwei (30) im vergangenen Jahr für die Marathonstrecke Hannover-Celle. Das war Weltrekord: Mittenzwei war mit Inline-Skates rückwärts gelaufen. Beim Berlin-Marathon am 27. September will er diese Zeit unterbieten und endlich ins Guinness-Buch der Rekorde.

Von Friederike Tinnappel

FRANKFURT. 42 Kilometer rückwärts fahren, das ist kein Spaß. Nur zwei Schritte unterscheiden vorwärts und rückwärts, erklärt der 30-Jährige und versucht den Bewegungsablauf zu beschreiben: "Ein Bein anheben, um 180 Grad drehen, den anderen Fuß nachziehen. Wenn der eine Fuß aufsetzt, muss der andere schon abgehoben sein." Sonst siegt, was schmerzhaft sein kann, die Schwerkraft. Damit Mittenzwei bei seinem Marathon nicht zweieinhalb Stunden den Kopf verdrehen muss, fährt ein Freund dicht hinter ihm her. Wenn es geradeaus geht, wird Mittenzwei den verdrehten Kopf vorübergehend entspannen und in Geradeausposition bringen, so dass er dem Freund, der ihn vor Gullideckeln und anderen Skater-Fallen warnen soll, ins Gesicht blickt.

"Es gibt viele, die stilistisch besser rückwärts fahren als ich", sagt Mittenzwei, "aber ich bin der einzige, der auf einer so langen Distanz so schnell ist." In Berlin unter 1:45 Stunden zu kommen "wäre ideal". "Das ist das, was der gute Hobby-Läufer schafft, wenn er nicht im Windschatten fährt." Mittenzwei ist kein Einzelkämpfer; ohne sein Team wäre er im Pulk der Vorwärtsraser verloren. Da ist nicht nur der Freund, der ihm seine Augen leiht, sondern auch Freundin Eva, die mitfährt und mit Getränken und Bananen - "die wirken Wunder" - versorgt. Freund Pierre gibt mit seinem lärmenden Musik-Rucksack den Takt vor.

"Normal sind die anderen", meint Mittenzwei, der ausnahmsweise keine Inline- Skates, sondern Badeschlappen an den Füßen trägt. Dass er zehn Jahre beim Bund war, sieht man ihm nicht an. Tatsächlich war der Inline-Freak bis vor kurzem als "Flugabwehr-Raketen-Wartungsmeister am Waffensystem Roland" in der Nähe von Hanau stationiert. Eine Tätigkeit, die sich "super gut" mit seiner Inline-Leidenschaft kombinieren ließ: "Um 16.15 Uhr hatte ich Feierabend, um 17.30 Uhr war ich umgezogen unten am Main."
Mit dem frühen Feierabend ist es, seitdem Mittenzwei mit seiner "Resozialisierung" ins zivile Leben begonnen hat, vorbei. Derzeit macht er eine Umschulung in Mainz, wo er gleichzeitig zum Bürokaufmann und Berater in der IT-Branche ausgebildet wird. Im April 2005 wird die Umschulung abgeschlossen sein. Danach möchte sich Mittenzwei als Existenzgründer "in Richtung Freizeit-Management" bewegen. Zum Bund gegangen ist er, weil er unbedingt in die Berge und viel Ski fahren wollte - auch in dieser Disziplin ist Mittenzwei offenbar ein Ass. Zum Schluss habe er es aber "nicht mehr ausgehalten".

Nichts Militärisches blieb haften. Die große Konstante in seinem Leben sind die Inline-Skates. Montags skatet er in Aschaffenburg, dienstags ist er in Frankfurt beim Tuesday Night Skating dabei, mittwochs Dieburg, donnerstags Training in einem Fitness-Studio, freitags skaten (privat), samstags skaten (ebenfalls privat) und sonntags, "wenn das Wetter schön ist, skaten, natürlich, vielleicht kombiniert mit einem kleinen Picknick".

Die ersten Inline-Skates hat er 1989 von einem Kanadier bekommen, der in Dinslaken, Mittenzweis nordrhein-westfälischer Heimatstadt, ein Geschäft für Eishockey-Zubehör betrieb. "Ich wusste gleich, das ist mein Ding." Inzwischen nennt der 30-Jährige acht Paare sein eigen. Auf die Idee mit dem Rückwärtsfahren ist er gekommen, als er im Jahr 2000 im Zillertal mit anderen Skatern unterwegs war, "für die Homepage Bilder machte" und sich während des Fotografierens zwangsläufig rückwärts bewegen musste.

Derzeit ist er auf der Suche nach Sponsoren, was gar nicht so einfach ist. Möglich, dass sich die Wirtschaft vor dem Rückwärtsgang scheut, wo doch alle hoffen, dass es bald wieder vorwärts geht. Anders die Fitness Company: Die habe für ihn ein Trainingsprogramm zusammengestellt, mit dem bestimmte Muskelgruppen, Beine, Po, unterer Rücken, gestärkt werden. Rückwärts traben auf dem Laufband gehört auch zum Trainingsprogramm. "Die Leute gucken vielleicht..."
Hoffentlich guckt auch die Redaktion des Guinness-Buch der Rekorde. Ein Versuch, den Weltrekord Hannover-Celle in dem populären Werk zu platzieren, schlug fehl. Auch hier will der Inline-Skater einen zweiten Anlauf unternehmen. Ein rückwärts rollender Radfahrer steht schon drin, im Buch der Rekorde. Klar, dass der endlich Gesellschaft braucht.


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